Durch die Nutzung dieser Webseite erklärst du dich mit der Verwendung von Cookies einverstanden. Mehr dazu

Registrieren Login

Von Totenschädeln zu Tintenkunst – Ein Gespräch mit Jakob von JKY TATTOO

Was passiert, wenn ein nerdiger Zeichner mit Faible für Gespenstergeschichten zur Tätowiermaschine greift? Jakob Nekolny, Gründer von JKY TATTOO im 16. Wiener Bezirk, erzählt, wie aus kratzigen Linien ein eigenes Studio wurde – und warum für ihn Tätowieren mehr mit Handwerk als mit „Künstler-Getue“ zu tun hat.

Wie bist du zum Tätowieren gekommen?

Ich komme vom Zeichnen – schon als Kind. Ich war immer begeistert von Monstern, Vampiren, Totenschädeln. Ich war jetzt kein Grufti oder so, aber ich habe gern Gespenstergeschichten gelesen, diese Trash-Heftchen und Comics. Ich war halt so ein cooler Nerd – Gespenstergeschichten waren mein Kinderding.

 

Dann hab ich mich selbst tätowieren lassen. Ich war in der Klasse mit einem, der drei Mal sitzen geblieben ist – er hatte so ein ganz kleines Kreuz mit einem Wu-Tang W in der Mitte. Das fand ich besonders gut. Und mit 14 dachte ich: Das ist schon geil. In der Klasse war auch ein Taiwanese, und ich hab mir gedacht: Chinesische Zeichen haben schon ein paar –das war so 1999 oder 2000. Von ihm hab ich mir dann ein Zeichen malen lassen, das einfach cool ausgeschaut hat – das war "die dunkle Seite von Yin Yang“. Tätowieren ließ ich mich dann von der Vroni – die ist bei euch im Tattoo-Netzwerk auch drin. Sie ist eine Bekannte von meinem Vater, das lief also über eine Familien-Connection. Meine Mutter hat gesagt: Das unterschreibt sie mir nicht – also habe ich gemeint dass ich wo hingeh wo Einverständnis wurscht ist, wo man keine Unterschrift braucht. Das sind dann aber wahrscheinlich PfuscherInnen. Dann hat Mamsch eingelenkt. Das Tattoo war dann so in 20 Minuten erledigt und hat total wehgetan – furchtbar.

Dann kamen noch Tattoos mit 16 und 18, jeweils so kleine Sachen. Und irgendwann lernt man halt Leute kennen, die schon ein bisschen mehr haben. Über ein Mädl, mit der ich aufgewachsen bin – ihr jetziger Ex-Mann, mein inzwischen fertig ausgebildeter Lehrling – der hatte schon mehr Tattoos. Der hat damals gesagt: Zeichnen kannst du eh – magst du nicht einfach eine Maschine kaufen und ein bisschen üben? Ich dachte mir: Wieso nicht? Und dann hab ich die ersten kratzigen Linien gemacht... auf mich, auf meinen Azubi, auf ein paar anderen. Manche Tattoos sieht man heute noch, bisschen mit Stolz, bisschen mit Scham.

Wie bist du zu deinem Studio gekommen?

Dann war für mich klar: Ein eigenes Studio wäre schon ein Thema. Über eine Freundin und private Connections bin ich dann in ein Studio reingerutscht, wo ich eine dreijährige Lehrzeit gemacht habe. Danach war ich mit einem Kollegen, den ich dort kennengelernt habe, drei Jahre im Vierzehnten. Dann sind wir noch mal gemeinsam umgezogen, das Ganze hat sich dann aufgelöst. Jetzt sind wir seit sechs Jahren hier – und ich betreibe das Ganze, im Sinne von: Ich kümmere mich um alles, damit es gut läuft. Jeder arbeitet selbstständig.

Alternative Text

Neben der Ausbildung hab ich schon von zuhause aus gehört: Magst du nicht lieber was studieren? Tätowieren ist ja "nichts Gescheites". Ich hatte auch ein kleines Kind zuhause – also war das ganze Partyzeug für mich eh kein Thema. Dann halt doch noch Aufnahmsprüfung auf der Akademie probiert, geschafft und ab da halt zweigleisig. Mein Alltag war dann: Vormittags Uni, nachmittags Studio, nachts Baby schupfen. Mit Mitte 20 geht das noch ganz gut – jetzt wäre das undenkbar. Wobei da Natürlich schon gesagt sein muss dass ohne meine Lebensgefährtin, heute Ehefrau, das alles so eh nicht möglich gewesen wäre.

Es ging bei mir immer um den Gegensatz zwischen Handwerk und Kunst. Ich habe es immer ehrlicher gefunden für das was man macht bezahlt zu werden und nicht einem brotlosen Künstlerdasein mit staatlichen Zuwendungen und Förderungen zu fröhnen. Ich sehe Tätowieren als Dienstleistung – mit einer starken grafischen und handwerklichen Komponente. Und das auf die Haut zu bringen, so gut wie möglich – das passt viel besser zu mir.

Warum hast du dich für den jetzigen Standort deines Studios entschieden?

Wir waren lange mit dem Studio im Siebten – einer super hippen Gegend und sind 2019 nach Ottakring gezogen. In der Neubaugasse sind eh viele leiwande Leute, aber irgendwann gehen einem die Menschen dann trotzdem auch auf den Arsch. Jetzt sind wir hier. Die Volksschule meiner Kinder war in der Nähe, ich konnte sie super abholen – das war wichtig für mich die letzten sechs Jahre. Jetzt passt es mal gut. Aber schauen wir mal, wo es uns noch hin verschlägt.

Wie läuft es ab mit den Terminen?

Meine Kollegen hätten gern jemanden gehabt, der das organisiert. Aber ich halte nichts davon, Praktikant*innen vorne hinzusetzen, die dafür fast nichts bekommen und dann "Slavework" machen. Und eine volle Shopmanagementstelle möchte dann irgendwie doch keiner (fair) bezahlen. Ich war auch mal in einem Studio, wo es so organisiert wurde – aber es hat nie so funktioniert, wie es eigentlich sollte.

Wie kommt man dann zu euch?

Bei meinen Kollegen läuft viel über Instagram. Ein bisschen auch über die Homepage, manche Leute sind Stammkunden. Jeder im Studio macht das für sich selbst, und die Anderen sind auf Instagram eben sehr aktiv. Manchmal kommen Leute auch einfach spontan rein, weil sie gerade in der Gegend sind. Und wenn jemand mit einem Design kommt, das wir nicht können oder nicht machen wollen, schicken wir die Leute auch wieder weg.

Welche Art von Motiven wurden zu Beginn deiner Laufbahn besonders oft nachgefragt?

Im Studio, in dem ich gelernt habe, sind viele mit Anfragen gekommen wie: "Kennst du The Rock?" oder wollten polynesische Muster. Ich hab mich dann ein bisschen eingelesen – ein paar Jahre später kam dann auch das Thema "Cultural Appropriation" auf. Da geht's ja schon darum, mit welchen kulturellen Elementen man da eigentlich arbeitet. Also hab ich zumindest ein paar Bücher gelesen.

Damals waren wir meistens zu fünft im Studio – aber keiner hat sich damit auseinandergesetzt. Ich war als junger Bursche im Geschäft und dachte mir: Technisch ist das ja schon eine Challenge – parallele Linien, solides Blackwork. Und trotzdem hat man die Freiheit, freihändig, direkt Stift auf die Haut, nur ganz wenig Stencil, zu arbeiten. Das hat mir eine Zeit lang richtig getaugt.

Aber irgendwann reicht’s auch mit den schwarzen Dreiecken. In dem Studio, wo ich war, war Japanisch ein großes Thema. Ich fand das cool – also hab ich angefangen, mich damit zu beschäftigen und auch in die Richtung zu zeichnen. Es taugt mir bis heute, auch weil es zum Lernen sehr praktisch ist. Es gibt ein Regelwerk, damit man weiß, dass es funktioniert – aber man kann auch ins Detail gehen, so tief, wie man möchte.

Das sind wie gut gestaltete Kunstwerke – sie sehen vielleicht relativ einfach aus, aber dahinter steckt eine komplexe Struktur. Ich würde glaub ich nie sagen, dass ich angekommen bin, aber das Japanische fasziniert mich, und nach ein paar Jahren weiß man: Man geht in die richtige Richtung.

 

Wie kriegt man Termine mit dir?

Spontantermine sind mir eher unangenehm – aber es kommt natürlich auf die Art der Anfrage an. Es dauert bei mir aber schon ein paar Monate. Ich versuche, kleinere Motive dazwischenzuschieben, aber große Projekte bekommen natürlich Priorität. Die Wartezeit hängt vom Projekt ab – für neue, größere Sachen liegt sie wahrscheinlich bei zwei bis drei Monaten.

Wie ist der Plan für die nächsten fünf Jahre?

Gute Frage. Ich will mehr Zeichenzeit haben. Tattoo-bezogen natürlich, aber ich denke dabei auch an großformatige Sachen – so A0 oder A1. Keine Grafiken, sondern ausgearbeitete Copic-Zeichnungen, aus denen man dann Prints machen könnte. Die sollten nicht zu teuer sein, damit sich das die Leute das auch leisten können und wollen. Aber dafür müsste ich mir dann wirklich Zeit schaffen.

Beruflich würde ich mir vorstellen, langfristig wieder aus den Streetshops rauszukommen – zurück und ein Atelierstudio. Manchmal machen wir im Jahr diese Berufspraktischen Tage, wo 15-, 16-Jährige schnuppern können. Das machen wir im November wieder – aber ganz ehrlich, das ist hardcore anstrengend. Also: Nein, ich biete keine Lehrplätze an.

Verrückteste Anfrage?

Eine Anfrage war: Eine realistisch tätowierte Vagina auf dem Damm eines Typen. Hab ich aber nicht umgesetzt.

Kommt das Arschgeweih wieder in Mode?

Bei mir nicht – aber ein Kollege hat kürzlich wieder eines gestochen. Das kam eher aus der Richtung „Neo-Tribal“ oder wie man das heute nennt. Aber ja, ich glaube, das kommt wieder zurück. Zumindest ganz kurz.

Mehr zum Thema Arschgeweih findet ihr in unserem Blogartikel.

Hast du noch ein paar abschließende Worte?

Tattoobezogen: Überlegt euch gut, was ihr euch tätowieren lasst. Lasst euch beraten und denkt lang genug drüber nach. Und im Allgemeinen: Die Leute sollen aufhören, deppat zu sein – egal ob beim Tattoo, in der Politik oder im Sozialen.